3/5,  Gegenwartsliteratur,  Rezension,  Summer Reading Challenge 2020

Janne Teller – Nichts: Was im Leben wichtig ist

LibTips Summer Reading Challenge ☀️ Flucht vorm Lockdown: Lies ein Buch, das dort spielt, wo du ohne Corona Urlaub gemacht hättest.

“Nichts bedeutet irgendetwas, deshalb lohnt es sich nicht, irgendetwas zu tun.” 

Es ist dieser eine Satz des jungen Pierre Anthon, der das Leben seiner Klassenkameraden auf den Kopf stellen soll. Da seiner Ansicht nach nichts im Leben eine Bedeutung hat, verlässt er mit dieser Aussage die Schule und bekräftigt seitdem lautstark seine Gedanken von einem Pflaumenbaum aus. Die Schüler der 7A gelangen relativ schnell zu der Ansicht, dass es etwas von Bedeutung im Leben geben muss und wollen Pierre Anthons Verhalten nicht einfach so hinnehmen. Sie stellen sich die Frage, was „die Bedeutung“ eigentlich ist und beginnen Dinge zu sammeln, die für sie persönlich eine Bedeutung haben, um Pierre Anthon vom Gegenteil seiner Aussage zu überzeugen. Was zunächst harmlos beginnt, gerät aber schon bald außer Kontrolle…

„Nichts: Was im Leben wichtig ist“ von Janne Teller erschien erstmals 2010 in der deutschen Übersetzung im Hanser Verlag, nachdem der Roman mit dem Titel „Intet“ bereits 2000 in Dänemark erschienen ist und seitdem für Aufsehen gesorgt hatte. Zunächst heftig diskutiert und zeitweise verboten, wurde Tellers Werk später mit Preisen ausgezeichnet und gehört heute zu den Standardwerken in dänischen Klassenzimmern. Doch was ist so skandalös an diesem schmalen Roman?  Es ist die verstörende Art und Weise, in der Teller der Menschheit einen Spiegel vorhält. Muss man als Leser zunächst noch über die Suche der Kinder nach der „Bedeutung“ schmunzeln, lässt einen die Geschichte im weiteren Verlauf sprachlos zurück. “Die wollen doch jetzt nicht…”, “Die haben doch jetzt nicht etwa…” und “Sie haben wirklich…” waren Reaktionen, die meinerseits sehr oft beim Lesen auftraten.

„Alles ist egal. Denn alles fängt nur an, um aufzuhören. In demselben Moment, in dem ihr geboren werdet, fangt ihr an zu sterben. Und so ist es mit allem.“

Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht des Mädchens Agnes, die die Geschichte aber relativ erwachsen schildert. Dabei werden einige ihrer Aussage von Teller durch Mehrfachnennungen sowie Steigerungen hervorgehoben und Aspekte der Geschichte damit unterstrichen. Mit einem trockenen Erzählstil schildert Teller, wie sich die Kinder immer mehr in ihre Bedeutungssuche hineinsteigern und irgendwann nicht mehr zwischen richtig und falsch unterscheiden, sondern ihre Handlungen, die sie nicht in Frage stellen, einem höheren Ziel unterordnen. Dabei wird durch die Unberührtheit und Sorglosigkeit ihrer Handlungen ein skrupelloses Bild, das sich sehr vom Standardbild eines Kindes in Geschichten unterscheidet, aufgezeigt. Ein interessanter Aspekt, der sich für mich aber stets etwas unrealistisch beim Lesen angefühlt hat. Tellers trockener Erzählstil trägt zwar zur melancholischen und beklemmenden Atmosphäre bei, erschien mir aber stets als zu kalt. Zudem bleiben die Geschichte und die Charaktere recht oberflächlich, wodurch ich persönlich keinerlei Bindung zu diesen aufbauen konnte.

Die Klasse 7A beginnt nach einem eigenen System, das sich bald verselbständigt, zu funktionieren. Sie wollen sich Pierre Anthon beweisen und beginnen bald äußerst überheblich zu handeln. Auch wenn mir viele Aspekte ihrer Handlungen unrealistisch erschienen, so kam ich irgendwann doch an einem Punkt an, den Einfluss von Gruppendynamik und -zwang nachzuvollziehen und es kam der schockierende Moment, in dem ich dachte: Die Menschen sind zu vielem fähig, warum also nicht?  

Janne Teller regt mit ihrem Roman „Nichts“ zum Nachdenken über den Sinn des Lebens sowie den Begriff „Bedeutung“ an und zeigt dabei trocken und provokant auf, wozu Menschen in der Lage sein können. Es ist ein sehr tiefgründiges Werk, das viele philosophische Fragen aufwirft und den Leser noch sehr lange beschäftigen kann.

Bewertung 3/5

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