Gegenwartsliteratur,  Rezension,  Summer Reading Challenge 2018

Erling Jepsen – Die Kunst, im Chor zu weinen

Father Knows Best: Read a book that features a father.

Allan ist 11 Jahre alt und lebt irgendwann in den 60er Jahren – so genau weiß man das nicht – in einem kleinen Ort im Süden Dänemarks. Er liebt seine Familie, deren größte Leidenschaft es ist, gemeinsam traurige Lieder zu singen, bis alle so laut schluchzen, dass man den Text nicht mehr verstehen kann. Auf seine große Schwester kann Allan sich immer verlassen und sein Vater ist für ihn der Größte, selbst wenn er ihn manchmal beschützen muss. Allans Vater ist ein Meister der Worte und bringt bei Beerdigungen mit seinen Grabreden immer alle Trauergäste zum Weinen. Allan erkennt schnell, dass dies gut für’s Geschäft ist, denn in den Tagen und Wochen nach einer Beerdigung kommen immer besonders viele Kunden in das elterliche, ständig in seiner Existenz bedrohte, Milchwarengeschäft. Und plötzlich sterben in Allans Umfeld immer mehr Leute. Doch auch in seiner Familie ist nicht alles so harmonisch, wie es auf den ersten Blick scheint.

„Die Kunst, im Chor zu weinen“ des dänischen Autors Erling Jepsen ist ein Musterbeispiel für schwarzen Humor. Zu Beginn der Lektüre muss man noch ziemlich oft lachen, zumal die Geschichte aus Allans oft sehr naiver Sicht erzählt wird. Doch es wird immer düsterer und irgendwann bleibt einem das Lachen im Halse stecken.

Das Buch behandelt einige sehr unangenehme Themen, weshalb es sicher nicht für jeden die geeignete Lektüre ist. Die kindliche Erzählweise macht dies nicht unbedingt besser, sondern hat im Gegenteil oft eher eine sehr beunruhigende Wirkung. Zutiefst verstörend sind Allans Gedanken, obwohl er doch stets das Beste für seine Familie und ganz besonders für seinen Vater im Sinn hat. Der Leser weiß genau, wieviel Schmutz sich hinter der Fassade der glücklichen Familie verbirgt und schafft es dennoch – durch die Augen Allans – Sympathie für jedes einzelne Familienmitglied zu entwickeln.

Dies wird dem Leser auch durch das gut gewählte Foto auf dem Buchcover vorgetäuscht. Hier sieht man einen rührenden Mann mittleren Alters mit seinem entzückend niedlichen Sohn – genau das Bild, das man sich nach den ersten Kapiteln von Allan und seinem Vater macht.

Mit seinem mehr tragischen als komischen Roman fordert Erling Jepsen seine Leser dazu auf, sich auf die unerwünschten, schmutzigen Geheimnisse von vermeintlich heilen Familien einzulassen –  das Düstere in idyllischen Familienfotos zu suchen. Auch wenn die Geschichte Unbehagen hinterlässt, ist es eine lohnenswerte Lektüre.

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