Rezension,  Summer Reading Challenge 2018

Ghada Samman – Mit dem Taxi nach Beirut

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Zwei Menschen – Farah und Yasmina – fahren mit dem Sammeltaxi vom syrischen Damaskus in die libanesische Hauptstadt Beirut. Für sie verkörpert die Stadt die Hoffnung oder vielmehr die Erwartung, Karriere zu machen, reich und berühmt zu werden. Unterwegs steigen noch drei weitere Fahrgäste hinzu: Der Fischer Abu Mustafa ist in Beirut zuhause und verfolgt schon seit 30 Jahren seinen großen Traum – die Zauberlampe zu finden, um sich mit ihrer Hilfe seine drei größten Wünsche zu erfüllen. Er kämpft, ebenso wie der herzkranke Abu Mu’allah, ein weiterer Fahrgast, um das Überleben seiner Familie. Beide leben von der Hand in den Mund. Der fünfte Fahrgast ist Ta’an, der gerade sein Pharmaziestudium abgeschlossen hat und jetzt in seiner Heimatstadt Beirut eine Apotheke eröffnen möchte.

Doch Beirut präsentiert sich als harte und erbarmungslose Stadt. Hier ist jeder Mensch nur so viel wert wie das Geld in seiner Tasche. Die Schere zwischen Arm und Reich ist gigantisch. Zunächst scheint es jedoch für Farah und Yasmina gut zu laufen. Sie tauchen ein in die Welt der Reichen und Mächtigen. Durch sie lernt der Leser die Strippenzieher der Stadt kennen, deren Entscheidungen großen Einfluss auf das Leben der übrigen Fahrgäste haben. Ohne es zu wissen, sind alle Fünf auf die eine oder andere Weise miteinander verbunden.

Früher oder später werden alle auf den Boden der Tatsachen geholt, die Träume und Hoffnungen zerschlagen sich. „Mit dem Taxi nach Beirut“ von Ghada Samman ist ein sehr düsterer Roman. Im Nachwort wird erwähnt, dass die 1974 erstmals erschienene Geschichte als eine Vorahnung des wenige Monate später ausgebrochenen Bürgerkriegs zu lesen ist. Tatsächlich bedient sich die Autorin einer sehr symbolträchtigen Sprache, in die viel hineininterpretiert werden kann. Dazu reicht es aber sicherlich nicht aus, sich mit Motiven in der Literatur auszukennen. Wichtig sind auch Kenntnisse der arabischen Kultur und der politischen Verhältnisse im arabischen Raum der 70er Jahre. Doch auch ohne diese Kenntnisse ermöglicht die Lektüre einen interessanten Einblick in das damalige Leben der Menschen von Beirut.

Der Schreibstil Ghada Sammans ist etwas gewöhnungsbedürftig. Bisweilen fällt es schwer, wörtliche Rede von den inneren Monologen der Protagonisten zu unterscheiden. Doch nach kurzem Einlesen hat man sich schnell daran gewöhnt. Wer sich von düsteren Romanen nicht abschrecken lässt, findet hier ein Stück wertvoller Literatur des 20. Jahrhunderts.

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