Gegenwartsliteratur,  LGBT,  Rezension,  Romantik,  Summer Reading Challenge 2018

Heidi Cullinan – Nowhere Ranch

High Noon: Read a classic or contemporary Western.

Roe Davis verlässt mit zwanzig Jahren seine Familie, als diese seine heimliche Pornoheftchen-Sammlung findet. Schmutzige Heftchen wären an sich nichts Schlimmes – aber zum Schrecken seiner Familie finden sie darin nur nackte Männer. Für Jahre vagabundiert Roe durch den Westen der USA und hält sich mit kurzen Jobs über Wasser, bis er als Helfer auf der Nowhere Ranch in Nebraska anfängt. Zunächst läuft alles gut. Der Job macht ihm Spaß, er hat ein kleines Apartment für sich, und seine Kollegen sind freundlich. Als er sich für ein Wochenende jedoch aus dem Staub macht, um in der nächstgrößeren Stadt nach einer Gay Bar und einem One-Night-Stand zu suchen, trifft er niemand geringeren als den Besitzer der Farm, Travis Loving, der ebenfalls auf der Suche nach einem unkomplizierten Stelldichein ist. Aufgrund von Annehmlichkeit gehen die beiden Männer eine Affäre ein, beide sicher, dass sich nichts Ernsteres daraus entwickeln wird.

Von dort ist der Fortgang der Handlung vorhersehbar. Ein wenig ungewöhnlich ist, dass „Nowhere Ranch” mit sehr expliziten Sexszenen beginnt, die im Laufe immer mehr abnehmen, um der Entwicklung der Geschichte Platz zu machen. Pornographische Literatur hat auch seine Daseinsberechtigung, leider schafft Autorin Heidi Cullinan es in diesem Roman allerdings nicht, sie erotisch darzustellen. Ohne emotionalen Kontext wirken die sehr handlungsbezogenen Szenen oft ziemlich lächerlich und übertrieben und erwecken fast einen gelangweilten Eindruck, als hätte Cullinan sie nur geschrieben, um ihren Lesern zu gefallen.

Den Fokus setzt sie besonders in der zweiten Hälfte eher auf die Charakterentwicklung von Roe, der von einem schweigsamen, männlichen Einzelgänger immer mehr zur perfekten Hausfrau mutiert. Die Verweiblichung von schwulen Protagonisten ist in solchen von Frauen geschriebenen Geschichten leider üblich, in diesem Fall aber besonders deutlich. Die wenigen anderen Figuren, die eine Rolle spielen, bleiben durchgängig blass und machen keine Entwicklung durch, und es fehlt die gesamte Zeit über „das Problem” in der Geschichte. Roes Beziehung zu seiner Familie ist dem Leser zwar bewusst, diese spielt aber erst recht spät eine Rolle.

Hinzu kommt der Schreibstil, der von fade bis peinlich reicht. „Holy Shit” ist die Standard-Emotionale-Reaktion des Hauptcharakters, und das dachte ich mir bei vielen Szenen auch.

Auch wenn die zweite Hälfte von „Nowhere Ranch” ein bisschen besser wird, gibt es dennoch tausend andere Romane ähnlichen Kalibers, die ihre Sache deutlich besser machen. Wer einfach nur nach expliziten schwulen Sexszenen sucht, die ein bisschen kinky sind, ist im Fanfiction-Bereich wohl besser beraten – und bekommt sie dort sogar umsonst.

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