2/5,  Gegenwartsliteratur,  Rezension,  Romantik,  Young Adult

Anne Freytag – Mein bester letzter Sommer

Freytag-Freitag ❤️ Ein todkrankes Mädchen, die erste große Liebe, eine Reise in ein europäisches Land – die Prämisse von Anne Freytags „Mein bester letzter Sommer“ klingt stark nach John Greens „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“. Und es ist ja auch ein interessantes Konzept, welches sicherlich nicht nur Inhalt für ein einzelnes Buch liefert. „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ hat mir aus diversen Gründen nicht gefallen. Umso größer war die Hoffnung, dass mir Anne Freytags Version eher liegt, zumal die Reise der kranken Tessa und ihres Freundes Oskar nach Italien führt, einem Land, das ich sehr schätze.

Die 17-jährige Tessa verliebt sich in der U-Bahn Hals über Kopf in einen hübschen Jungen, glaubt gar nicht daran, ihm je noch einmal zu begegnen und trifft ihn dann jäh doch wieder – als Sohn eines Freundes ihrer Eltern. Der Unbekannte bekommt einen Namen: Oskar. Oskar erwidert Tessas Probleme, doch sie hat ein Problem: sie wird bald sterben. Mit Oskar fühlt sie sich jedoch das erste Mal seit langem wieder so richtig lebendig und die beiden schmieden einen Plan: nach und durch Italien reisen, nur zu zweit, und Tessas letzte Wochen so richtig genießen. Während der Fokus zu Beginn eher auf der Beziehung zwischen Tessa und ihrer Familie liegt, wird das Buch in der zweiten Hälfte zu einem Roadtrip durch die großen italienischen Städte. Freytag-typisch gibt es dazu auch eine passende Playlist voll mit Songs, die die Charaktere meist eher weniger subtil in der Geschichte aufgreifen. Ab diesem Punkt läuft das Schema von Stadt zu Stadt recht gleich ab: Tessa hat ein Problem – das Aussehen ihres Körpers, ihre Eifersucht, Schmerzen aufgrund ihrer Krankheit – redet mit Oskar gar nicht oder kaum darüber, sie besichtigen die unterschiedlichen Metropolen, die alle ein wenig lieb- und farblos beschrieben werden, und dann fahren sie weiter in die nächste Stadt, wo sich das Schema wiederholt.

Die Beziehung zwischen Tessa und Oskar kann nur am Anfang so richtig überzeugen – sich die Nächte am Smartphone um die Ohren zu schlagen, in denen man über Gott und die Welt spricht, ist wohl vielen von uns wohlbekannt – und wird im Laufe der Handlung kaum ausgebaut. Das liegt auch daran, dass die beiden Figuren sehr blass bleiben. Oskar ist nicht viel mehr als eine Leinwand für den perfekten Freund und Tessa ist allen Menschen außer ihm gegenüber unausstehlich egoistisch. Die beiden kommen sich nach und nach näher, was aufgrund Tessas mangelndem Selbstbewusstsein durch ihre OP-Narbe etwas länger auf sich warten lässt. Dass Oskar in einem dieser Momente sogar gereizt reagiert und Tessas Zögern nicht nachvollziehen kann, war ein weiterer negativer Punkt, den ich dem Buch kaum verzeihen konnte, vor allem, da dieser Konflikt nach kurzer Zeit nie wieder aufgegriffen wird und alles wie gewohnt weiterläuft. Die am Ende resultierende Sexszene ist für ein Jugendbuch außergewöhnlich explizit, was es für mich schon fast zu einem New Adult-Roman macht. Davon abgesehen ist der Schreibstil, jugendbuchtypisch, einfach und flüssig zu lesen, mit ein paar überschwänglichen Metaphern hier und da, die sich leider mehr auf Oskars Aussehen als auf die schönen Städte, die das Pärchen besucht, beziehen.

Alles in allem hat mir mein erster Freytag-Roman leider nicht gefallen. Die Schwere der Thematik verblasste mir zu sehr im Verhältnis zum Geschmachte und zur Sexversessenheit der Protagonisten. Vielleicht ist die Mischung todkranke Jugendliche und Liebe einfach nichts, das für mich funktioniert – aber ich warte gerne den dritten Roman ab, der dieses Kunststück versucht.

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