Naomi Novik – Das dunkle Herz des Waldes
“Es stimmt nicht, dass der Drache die Mädchen, die er sich holt, verspeist. Ganz gleich, was für Geschichten man außerhalb unseres Tales erzählen mag. Manchmal hören wir diese Gerüchte von Reisenden, die in unser Dorf kommen. Bei ihnen klingt es, als würden wir ihm Menschenopfer darbringen – und als ob er tatsächlich ein Drache wäre.”
Agnieszkas Heimatdorf Dvernik liegt nah am dunklen Wald. Sie und die anderen Dorfbewohner leben in der ständigen Angst, von den bösen Mächten des Waldes entführt und befallen werden zu können – und als Monster zurückzukommen. Doch der Zauberer des Königs, Drache genannt, kann den Wald zurückhalten. Dafür sucht er sich alle zehn Jahre ein Mädchen aus dem Dorf als seine Dienstmagd aus. Dieses Mädchen ist zumeist hübsch, begabt beim Kochen und alles in allem sehr kultiviert. Daher wäre Agnieszkas Freundin Kasia eigentlich die perfekte Wahl gewesen. Doch der Drache entscheidet sich stattdessen für Agnieszka.
Hier beginnt die fantasievolle Geschichte um Agnieszka, die schnell herausfindet, dass sie magische Kräfte hat. Sie lernt bald zu zaubern und schlittert so in den Kampf gegen den dunklen Wald hinein. Auf ihrem Weg findet sie unverhoffte Verbündete gegen den entsetzlichen Feind.
Naomi Novik erschafft auf der Grundlage einiger slawischer Märchen und deren Figuren eine eigene Geschichte, in der zunächst ganz eindeutig und wie in Märchen üblich, das Gute gegen das Böse kämpft. Doch dann verlässt Nevik diesen Weg der scherenschnittartigen Schwarz-Weiß-Malerei und die Geschichte beginnt auch in Zwischentönen zu spielen. So wird aus einem Märchen ein Fantasy-Roman, der auf der Suche nach dem Ursprung der Fehde zwischen Gut und Böse auch Agnieszkas Suche nach ihrem eigenen Weg, ihrer eigenen Form von Magie beleuchtet. Dabei spielt romantische Liebe zwar auch eine Rolle, wird aber ergänzt durch weitere große Gefühle, wie Agnieszkas Freundschaft zu Kasia.
Die Geschichte liest sich sehr erfrischend und unverbraucht, was vor allem daran liegen kann, dass es slavische Märchen und deren Figuren bisher eher selten in die Fantasy-Welt geschafft haben. Was für ein Verlust! Dieses Opus ist absolut lesenswert!
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