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Becky Albertalli – Nur drei Worte

“Es ist definitiv nervig, dass hetero (und auch weiß, wo wir schon dabei sind) die Norm ist und dass nur diejenigen, die nicht in diese Form passen, sich Gedanken über ihre Identität machen müssen. Heteros sollten sich auf jeden Fall outen müssen, und je peinlicher, desto besser. Peinlichkeit sollte überhaupt die Grundbedingung sein. Ist das womöglich unsere Version der Homosexuellen-Agenda?”

– aus einer E-Mail von Blue an Jacques

“Die Homosexuellen-Agenda? Ich weiß nicht. Ich finde, es ist eher die Homo-sapiens-Agenda. Darum geht es doch letztlich, oder?”

– aus einer E-Mail von Jacques an Blue

Der 16-jährige Highschool-Schüler Simon Spier tauscht seit Monaten unter dem Pseudonym „Jacques“ mit dem Jungen „Blue“ zahlreiche E-Mails aus. Dabei gestehen sie sich die intimsten Dinge – auch, dass sie beide schwul sind. Sie gehen auf dieselbe Schule, haben sich aber noch nie in der Realität getroffen, geschweige denn kennen sie ihre wahren Identitäten. Doch allein der Austausch ihrer Gedanken und Ansichten bringt die beiden immer näher und langsam blüht eine zarte Liebe auf. Doch dann ist Simon etwas unvorsichtig und seine E-Mails fallen jemanden in die Hände. Ab diesem Tag gerät seine Welt aus den Fugen und das so lange und sorgsam umgangene Thema Coming-out rückt plötzlich in den Mittelpunkt.

„Nur drei Worte“, im Original „Simon vs. the Homo Sapiens Agenda“, von Becky Albertalli erschien erstmals 2016 in der deutschen Übersetzung bei Carlsen. 2017 erhielt der Roman die „Momo“ der Jugendjury des dt. Jugendliteraturpreises. Unter dem Titel “Love, Simon” erschien zudem 2018 eine US-amerikanische Verfilmung des Jugendromans.

Eine süße und humorvolle Geschichte rund um das Erwachsenwerden, die erste Liebe, Freundschaft, Homosexualität, aber auch Mobbing, Selbstzweifel und Gesellschaftskritik: M hat bei der Auswahl meines Wichtel-Geschenks wirklich alles richtig gemacht. Danke nochmal! 🙂 Ich kannte bereits die Verfilmung, wollte aber unbedingt auch irgendwann noch die Romanvorlage lesen. Und wie lautet nun das Fazit? Kurz gesagt: Ich finde die Vorlage besser als den Film – vor allem das Ende, aber dazu später mehr.

Becky Albertalli erzählt in „Nur drei Worte“ nicht nur die Liebesgeschichte zweier junger Menschen, sondern beschreibt auch die innere Entwicklung des Protagonisten. Für Simon spielt seine sexuelle Orientierung keine übergeordnete Rolle, lieber möchte er keine große Sache daraus machen und stellt sich gemeinsam mit “Blue” berechtigte Fragen zu den Ansichten unserer Gesellschaft: Warum ist Heterosexualität die Normalität? Und wieso müssen sich nur queere Menschen outen? Dabei werden die Schwierigkeiten und Ängste hinsichtlich eines Coming-outs aufgezeigt, gleichzeitig aber auch Mut gemacht. Nicht zuletzt tragen dazu auch viele Nebencharaktere und ihre Handlungen bei.

Die Geschichte wird in einem leichten und flüssigen Schreibstil aus der Sicht von Simon erzählt, charakteristisch sind dabei die kurzen Sätze. Diese unterstreichen vor allem auch Simons sarkastischen Humor, der wirklich großartig ist. Übertroffen wird er dabei nur von seiner zynischen Freundin Leah. Die Charaktere haben mir im Allgemeinen sehr gut gefallen, da sie gut ausgearbeitet sind und auch die Verbindungen untereinander glaubwürdig erscheinen. Besonders die Chemie zwischen Simon und „Blue“ ist greifbar. Hinter dem Schutzschild der Anonymität baut sich eine ganz besondere Beziehung zwischen zwei Menschen auf, die in einer herzerwärmenden Art und Weise dargestellt wird. Die Anonymität wird dabei zum roten Faden der Geschichte. Denn Albertalli hat geschickterweise ein Ratespiel genutzt, um die Spannung aufrechtzuerhalten. Man fiebert Seite für Seite mit und versucht jedes Detail aus den E-Mails herauszulesen, damit man endlich erfährt, wer denn nun dieser „Blue“ ist. Die Auflösung des Rätsels ist dabei im Buch weit besser gestaltet als im Film. Dort gibt es eine Zwangslage, die im Buch gekonnt umgangen wird, indem den Charakteren Zeit und vor allem Privatsphäre gegeben wird.

„Menschen sind wie Häuser mit riesigen Zimmern und winzigen Fenstern. Und das ist vielleicht auch gut so, denn so können wir einander immer wieder überraschen.“

Kann man sich auch nur durch Worte und Gedanken in einen Menschen verlieben? Becky Albertalli beantwortet diese Frage in „Nur drei Worte“ mit einem klaren ja und zeigt, dass Liebe weder Geschlecht noch Hautfarbe oder andere Äußerlichkeiten kennt. Sie verwebt zahlreiche jugendrelevante Themen und zeigt dabei nicht nur die schönen Dinge, sondern auch Schattenseiten auf. Es ist ein wirklich wunderbarer Jugendroman, der zu Recht preisgekrönt ist. Eine absolute Leseempfehlung von mir!

Bewertung 5 Küsse

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