5/5,  Favoriten,  LGBT,  Manga,  Rezension,  Romantik

Kanna Kii – Qualia unter dem Schnee

„(…) aber wenn jemand verschwindet, den man liebt, ist das sehr traurig. Da ist es wohl unvermeidbar, dass man dadurch ein bisschen komisch wird…

Zwei Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Aki ist lieber für sich allein und zieht Pflanzen den Menschen vor. Umi hingegen lässt sich ständig auf One-Night-Stands ein, wobei er meist noch nicht einmal die Namen seiner Männerbekanntschaften kennt und sich selbst einen falschen Namen gibt. Obwohl die beiden schon länger im selben Studentenwohnheim leben, liefen sie sich bisher nie über den Weg und lernen sich erst kennen, als Umi nach einer durchzechten Nacht lautstark im Hausflur zusammenbricht. Die jungen Männer freunden sich langsam an, geraten aber wegen ihrer unterschiedlichen Lebensauffassung – besonders hinsichtlich ihrer Einstellung zu Liebe, Beziehungen und Sex – auch öfters aneinander. Doch je mehr Zeit sie miteinander verbringen, desto mehr fangen sie an, einander zu vertrauen und zu begreifen, dass sie zusammen ihre schmerzhaften Vergangenheiten aufarbeiten könnten.

Der Manga „Qualia unter dem Schnee“ ist ein One Shot der Mangaka Kanna Kii. Die deutsche Übersetzung erschien erstmals im Januar 2017 bei Tokyopop.

Die Slice of Life-Geschichte von Aki und Umi wird angemessen langsam und damit nachvollziehbar und realistisch erzählt. Dabei lebt der Manga von der Entwicklung der Beziehung und den Reibungen der liebenswerten Protagonisten. Einfühlsam und mit einer ruhigen Grundstimmung wird dargestellt, wie die Vergangenheit Akis und Umis Charakter geformt hat und eben dies es ihnen so schwer macht, einander zu verstehen. 

Doch was hat es eigentlich mit dem Begriff Qualia auf sich? Es handelt sich hierbei um eine Bezeichnung des phänomenalen Bewusstseins. Dabei geht es um die Frage, wie es sich anfühlt, sich in einem bestimmten mentalen Zustand zu befinden. Aki und Umi tragen beide Narben der Vergangenheit und haben irgendwann damit begonnen, in ihrer Traurigkeit und Wut zu verharren – ohne mit dem Geschehenen abzuschließen. Sinnbildlich lernen sich die beiden im Winter kennen und tauen im Verlauf der Geschichte genau wie ihre Umgebung auf.

Es wird dabei erzählt, wie sich Aki und Umi anfreunden, einander aus der Reserve locken und dem anderen unbewusst ihre versteckten Seiten und Gefühle offenbaren. Besonders auf die Gefühle der Charaktere wird hier viel Wert gelegt. Wunderbar ist dabei der Aspekt, dass sich in erster Linie eine Freundschaft entwickelt, aus der eine Liebe entstehen kann, die Geschichte dies aber nicht unbedingt erzwingt. Die Charaktere sind zwar eher Stereotypen, dies ist aber dem geringen Umfang des Mangas geschuldet und ein leider typisches Problem von One Shots. Erstaunlich ist dabei, dass ihnen eine Charakterentwicklung zugestanden wird – eine Seltenheit in dem Genre.

Der weiche und feine Zeichenstil unterstreicht die Grundstimmung und weist für einen Boys-Love-Manga ungewohnt gut ausgearbeitete Hintergründe auf, die aber weiterhin zweitrangig bleiben. Der Fokus liegt vielmehr auf den sehr klar und sauber gezeichneten Charakteren, um die Gefühle und Gedanken ausdrucksstark vermitteln zu können.

Kanna Kii schafft es in „Qualia unter dem Schnee“ mit leisen Tönen, ernste Themen anzusprechen. Die feinfühlige Geschichte sticht dabei aus der Masse des Genres heraus und ihr wunderschöner Zeichenstil erzeugt eine verträumte Atmosphäre. Auch wenn sie folgendes Klischee mit Akis und Umis Geschichte eindringlich widerlegt, so war es für mich Liebe auf den ersten Blick und ich bin sehr froh, durch Zufall auf diese begabte Mangaka gestoßen zu sein. Ihre weiteren Werke stehen bereits auf der To-Read-Liste.

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